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22
Mai

Entdeckungen bei Freunden

Kategorie: Allgemeines

Meißner Winzer unterwegs in Sachsen-Anhalt und Brandenburg

Von Klaus Harder


Einen Ausflug nach Schlieben und Jessen unternahmen Winzerinnen und Winzer der hiesigen Weinbaugemeinschaften Meißen und Spaargebirge am vorletzten Maisonntag. Touristisch sind beide Kleinstädte nahezu bedeutungslos, doch Kenner wissen, dass es sich bei beiden um Exklaven des sächsischen Weinbaus handelt. Schlieben liegt im Brandenburgischen, Jessen am Unterlauf der Schwarzen Elster in Sachsen-Anhalt, aber bis 1815, als Sachsen nach dem verlorenen Krieg an der Seite Napoleons rigoros verkleinert wurde, gehörten sie noch zu Sachsen. Da sie jedoch durch den Weinbau Sachsen nach wie vor verbunden sind, begehen sie in diesem Jahr mit den Winzern aus dem Elbtal auch das 850-jährige Weinbau-Jubiläum.

Wie sollte man das besser würdigen, als die Weine beider Gebiete kennenzulernen sowie die Kolleginnen und Kollegen, die unter ganz anderen Bedingungen ihre Arbeit verrichten. So erwiesen sich beide Ziele als überaus attraktiv und erlebnisreich. Die Stimmung jedenfalls war während des ganzen Tages heiter und aufgelockert, was nicht allein dem köstlichen Rebensaft geschuldet war, sondern vor allem der heiteren Laune der Gastgeber. Sowohl die Schliebener wie auch Familie Hanke aus Jessen berichteten anschaulich, zum Teil mit Anekdoten angefüllt, aus ihrem Arbeitsalltag in Weinberg und Weinkeller.

 

In Schlieben sind es die Mitglieder des Vereins „Historischer Weinbau“, die die Rebflächen am Schliebener Langen Berg betreuen. Sie können sich zwar auf die Weinbautradition der Mönche aus dem einstigen Kloster Dobrilugk (heute Doberlug) berufen, doch lange lag die Fläche brach. Sie wurde erst nach 1990 neu aufgerebt und seitdem allmählich erweitert. Die Hanglage ist nach Süden geneigt, der Boden ist karg, bringt aber bei entsprechender Pflege guten Ertrag. Die Trauben werden in der Sächsischen Winzergenossenschaft Meißen gekeltert, der gesamte Wein in der Regel vollständig zurückgekauft und in der Region vertrieben. Dazu nutzt man eine eigene Festkultur, in der der Schliebener Moienmarkt, ein früherer Gesindemarkt, eine besondere Rolle spielt. Vom sprachlichen Ursprung bedeutet „Moie“ eine Magd. Heute ist die aller zwei Jahre gewählte Moie eine örtliche Weinprinzessin, und in der Abiturientin Lisa Dufke lernten die Gäste aus Meißen eine selbstbewusste, ganz unserer Zeit zugetane „Moie“ kennen.

 

Den Wein vom Jessener Gorrenberg, der fast vor den Toren Wittenbergs liegt, soll schon Luther geschätzt haben. Demnach hat auch dieser Tropfen eine lange Tradition. „Heute gehören wir politisch zu Anhalt“, erklärte Frank Hanke vom Weingut der Brüder Hanke, „weinbaupolitisch nach Sachsen, unser Boden aber ist brandenburgischer Karnickelsand!“ Was ihm entsprechende Lacher eintrug. Zwar war der Familienbetrieb in den letzten Jahren gehörig von Frostausfällen heimgesucht worden, doch man habe gelernt, damit umzugehen, erfuhren Meißens Winzer zwischen insgesamt sieben Proben von Hanke-Weinen. Allesamt voller Wohlgeschmack belegten sie anschaulich, dass die inzwischen über 20-jährige Geschichte des Familienbetriebes vor allem eine Erfolgsgeschichte ist. Wie das funktioniert, war ebenfalls zu erleben, denn an jenem Sonntagnachmittag waren neben Vater Frank und Mutter Sandra auch die Kinder zur Betreuung der Gäste im Einsatz, keineswegs unter Zwang, wie sich mancher vielleicht vorstellt. Wir erlebten, wie gegen Ende das etwa sechsjährige Töchterchen der Mutter einen Strauß selbst gepflückter Wiesenblumen überreichte, ganz aus dem Überschwang, einen schönen Nachmittag erlebt zu haben. – Diese Empfindung teilten auch Meißens Winzer auf dem Heimweg. Von den Regentropfen, die bald die Busfenster nässten, hofften sie, dass diese vor allem die Reben erfrischten – in Nord wie in Süd.